UPDATES vom 13.05./02.11./23.12.2020, 28.05./28.10./11.11./01.12.2021/12.01.2022
Aktuell: Der BGH hat entschieden. Hier die Leitsätze:
1. Die durch die COVID-19-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Absatz 1 Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich.
2. Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Absatz 1 BGB in Betracht.
3. Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls. Daher sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat.
BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21.
Anmerkung von Rechtsanwalt W. Baldus
Der Bundesgerichtshof hat, wie aufgrund des Verhandlungstermins vom 01.12.2021 zu erwarten war, die Vorentscheidung des OLG Dresden aufgehoben. Das OLG Dresden hatte aufgrund der coronabedingt behördlich angeordneten Betriebsschließung im April 2020 entschieden, dass eine solche Störung regelmäßig zur Anpassung des Mietvertrages gemäß § 313 Absatz 1 BGB dahin führe, dass die vertraglich vereinbarte Kaltmiete für den Zeitraum der Schließungsanordnung auf die Hälfte reduziert wird.
Der XII. Zivilsenat hat mit seiner Entscheidung vom heutigen Tage einer solchen schematischen Betrachtung eine klare Absage erteilt. Der BGH verlangt vielmehr, dass die Instanzgerichte alle Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer Vertragsanpassung berücksichtigen. Dazu gehören auch staatliche Hilfen, die es für die Gastronomen während der coronabedingten Betriebsschließungen großzügig gegeben hat.
Rückblick und Stand bis 01.12.2021:
Erste mündliche Verhandlung des XII. Zivilsenats am 1. Dezember 2021! Es gab nur wenige Hinweise des Gerichts in dieser mündlichen Verhandlung. Zwischen den Zeilen konnte aber vernommen werden, dass die Entscheidung des OLG Dresden, die Gegenstand des Revisionverfahrens ist, wohl aufgehoben wird. Das OLG Dresden wird sich mit dem Fall erneut beschäftigen müssen.
Der XII. Zivilsenat lehnt offensichtlich eine schematische Behandlung nach dem Motto, die Mieten werden im Schließungszeitraum geteilt, ab. Außerdem wurde klar, dass Mieter wegen mietrechtlichen Gewährleistungsansprüchen und wegen Unmöglichkeit keine Rechte herleiten können.
Es wurde angedeutet, dass für die Bejahung der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, nämlich die Anpassung des Mietvertrags gem. § 313 BGB nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen ist. Es bleibt zu hoffen, dass der XII. Ziviilsenat in seiner Entscheidung, die am 12.01.2022 verkündet wird, entsprechende Hinweise für die Abwägung gibt.
Damit bestätigt der XII. Zivilsenat indirekt die aktuelle Rechtsprechung des OLG Hamm (NZM 2021, 848) und des OLG Frankfurt (NZM 2021, 851).
Rückblick und Stand bis 30.11.2021:
Es gab auch 2021 wieder zahlreiche Gerichtsentscheidungen zur Pflicht eines Gewerberaummieters/Pächters, während der pandemiebedingten Betriebsschließungen vollständig die Miete/Pacht zu zahlen. So liegen beispielsweise für den Zeitraum des 1. Lockdowns Berufungsurteile, etwa durch die OLGe München, Karlsruhe, Frankfurt a.M. , Dresden, Frankfurt, Hamm und dem Kammergericht Berlin vor (siehe die Rechtsprechungsübersicht bei Drasdo, NZM 2021, 842). Ferner gibt es ausgezeichnete Aufsätze zu der Thematik, etwa von Leo, NZM 2021, 249, oder von Selk, NZM 2021, 369, um nur zwei zu nennen.
Eine wirklich fassbare Linie lässt sich nicht erkennen. Eine schematische Lösung nach dem Muster 50:50 wird jedenfalls zu Recht von der wohl überwiegenden Meinung abgelehnt (OLG Frankfurt, Urteil vom 17.09.2021 – 2 U 18/21, NZM 2021, 851; OLG Hamm, Urteil vom 24.09.2021 – 30 U 114/21, BeckRS 2021, 30476, in Abweichung zu OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20, ZMR 2021, 476 ff., KG Berlin, Urteil vom 01.04. 2021 – 8 U 1099/20, ZMR 2021, 579 ff. und zu OLG Köln, Urteil vom 14.05.2021 – 1 U 9/21 – BeckRS 2021, 16198, Rn. 26 ff.). Der jeweilige Lösungsansatz ist stark durch die jeweiligen Sichtweise (Brille) der Betroffenen, aber auch sehr von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles geprägt. Teilweise werden bei den Betrachtungen staatliche Hilfeleistungen nicht berücksichtigt. Teilweise werden die Interessen der Vermieter und/oder Zwischenvermieter übersehen. Zum Teil wird unterstellt, dass Mieter in guten Zeiten Rücklagen für schlechte Zeiten bilden. Auch wird erwartet, dass Mieter unternehmerisch reagieren und Umsatzausfälle durch andere Aktivitäten (etwa Außer-Haus-Verkauf in der Gastronomie) kompensieren. Kaum eine Entscheidung ist mit dem Sachverhalt zu einer zweiten Entscheidung vergleichbar.
Jetzt naht eine Entscheidung des XII. Zivilsentas des Bundesgerichtshofs, die hoffentlich Klarheit für eine Vielzahl von Fallgestaltungen bringt, wie die unterschiedlichen Rechtsfragen zu beantworten sind! Nach einer Pressemitteilung vom 11.11.2021 (209/2021) ist am 01.12.2021 eine mündliche Verhandlung über die Revision gegen ein Berufungsurteil des OLG Dresden vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20 – anberaumt. Streitgegenstand wird daher nur der Zeitraum des ersten Lockdowns (März bis Mai 2020) sein. Ob sich daraus dann automatisch auch Folgerungen für den Zeitraum ab November 2020 ableiten lassen, bleibt abzuwarten. Die Experten erhoffen sich jedenfalls von dem Verlauf dieses ersten Termins Erkenntnisse zu der grundsätzlichen Entscheidungstendenz des BGH. Selten wurde eine Entscheidung des höchsten Zivilgerichts so sehnsüchtig erwartet.
Lohmar, den 11.11.2021
Rückblick und Stand bis 23.12.2020
Aufgrund der Folgen der Covid-19-Pandemie hatte der Gesetzgeber in kürzester Zeit für unterschiedliche Lebensbereiche und Rechtsgebiete gesetzliche Regelungen getroffen. Zwischen dem ersten Entwurf am 20.03.2020 bis zum fertigen Gesetz vom 27.03.2020 lagen 7 Tage. Es muss jedem klar sein, dass in einer solchen Rekordzeit und bei dem enormen Handlungsdruck für den Gesetzgeber kein allumfassendes und vollständig abgestimmtes Regelungspaket geschaffen werden konnte, so dass viele Rechtsfragen offen geblieben sind. Diese Fragestellungen beschäftigen jetzt sehr intensiv die Gerichte und die juristische Literatur, insbesondere im Gewerberaummiet- und Pachtrecht.
Im Mittelpunkt der Diskussion im Gewerberaummiet- und Pachtrecht steht die zentrale Frage, wie sich die behördlich angeordneten Betriebsschließungen auf die Zahlung von Mieten und Pachten auswirken und wer welches Risiko trägt? Zur Beantwortung sind folgende mietrechtliche Vorfragen zu klären:
- Ist die „Corona-bedingte“ Betriebsschließung ein Mangel der Mietsache/Pachtsache und besteht deshalb ein Miet-/Pachtminderungsrecht?
- Entfällt die Pflicht zur Zahlung der Miete oder Pacht nach den Rechtsvorschriften der Unmöglichkeit?
- Besteht ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage?
Diese bereits jetzt in der Literatur diskutierten Vorfragen wird die höchstrichterliche Rechtsprechung in naher Zukunft beantworten müssen. Es bestand und besteht weiterhin eine große Rechtsunsicherheit. Blendet man den subventionsrechtlichen Zweck der staatlichen Soforthilfen aus, waren alle Beteiligten aus heutiger Sicht gut beraten, wenn sie zu den Folgen der Covid-19-Pandemie eine einvernehmliche Lösung für die Miet- und Pachtzahlungen getroffen haben.
Der der Gesetzgeber hat mit Beschluss vom 17.12.2020 erneut reagiert und die vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie in Artikel 240 EGBGB um einen § 7 erweitert. Darin heißt es:
„Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen
(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nurmit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.“
Es gibt bereits eine Vielzahl von Veröffentlichungen und Gerichtsentscheidungen rund um das Thema Corona mit seinen Auswirkungen auf gewerbliche Miet- und Pachtverhältnisse vor. Diese haben sich bereits sämtlich mit der rechtlichen Probelmatik der Störung der Geschäftsgrundlage beschäftigt. Die neue Vermutungsregelung in Artikel 240 § 7 EGBGB wird die Diskussion nochmals verschärfen. Ob sie überhaupt greift und wodurch sie widerlegt werden kann, werden die Gerichte entscheiden müssen.
Hier eine Auswahl an Gerichtsentscheidungen und die dazugehörigen Leitsätze ohne die Anwendung der neuen Vorschrift:
Pflicht zur Mietzahlung entfällt (teilweise)
1. Die coronabedingte Betriebsschließung durch Allgemeinverfügung ist ein Mietmangel im Sinne von § 536 BGB.
2. In vorliegender Konstellation ist eine Störung der Geschäftsgrundlage gegeben, da die Parteien die Folgen einer eintretenden Coronapandemie und Infektionsschutzmaßnahmen durch den Staat offenkundig nicht bedacht haben und so den Vertrag kaum geschlossen hätten (vgl. § 313 Absatz 1, Absatz 2 BGB). In den Rechtsfolgen wäre die Anpassung ganz offenkundig in einer reduzierten Miete gelegen, wobei die Höhe der gesetzlichen Minderung entspräche. Indes erscheint die Anwendung der Mängelhaftungsregelungen vorrangig. (Leitsätze durch den Verfasser)
LG München I, Endurteil vom 22.09.2020 – 3 O 4495/20 (nicht rechtskräftig), BeckRS 2020, 28189.
1. Durch hoheitliche Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie bewirkte Gebrauchsbeschränkungen stellen keinen Mangel der Mietsache dar.
2. Allerdings hat der Mieter im Fall der vollständigen Schließung seines Geschäfts einen Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage. In diesem Fall ist eine Anpassung auf die Hälfte des Mietzinses angemessen.
LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020 – 12 O 154/20 (nicht rechtskräftig), IMR-Online 24/2020.
1. Muss der Mieter aufgrund einer Allgemeinverfügung infolge der Corona-Pandemie sein Geschäft schließen, so hat er nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage einen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags.
2. Muss das Geschäft vollständig geschlossen werden, so beträgt die Miete in dieser Zeit die Hälfte des regulären Mietzinses.
LG München I, Urteil vom 05.10.2020 – 34 O 6013/20 (nicht rechtskräftig), IMR-Online 24/2020.
Pflicht zur Mietzahlung bleibt bestehen
Die corona-bedingte Schließung der Geschäftsräume betrifft die Nutzungstätigkeit des Mieters, nicht aber die Gebrauchsverschaffungspflicht des Vermieters. Der Mieter bleibt daher zur Mietzahlung verpflichtet. (Leitsätze durch den Verfasser)
LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 – 5 O 66/20 (nicht rechtskräftig), IMR 2020, 375.
Die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätte wegen COVID-19 ist weder ein Mietmangel noch Teil der Unmöglichkeit. Solange der Mieter das Risiko trägt, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können, führen befristete Schließungen nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage.
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 02.10.2020 – 2-15 O 23/20 (nicht rechtskräftig), IMR 2020, 460.
1. Ein gewerblicher Mieter ist zur Weiterzahlung der Miete auch für den Zeitraum verpflichtet, in dem er das angemietete Geschäftslokal wegen der Corona-Pandemie auf behördliche Anordnung zeitweise schließen musste.
2. Eine solche Schließung begründet weder einen Mangel der Mietsache noch eine Unmöglichkeit.
3. Die Anwendung der Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage scheidet zumindest dann aus, wenn der Mieter keine konkrete Existenzgefährdung dartun kann.
LG Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020 – HK O 17/20 (nicht rechtskräftig), IMR 2020, 461.
Hinweis:
Gegen die Entscheidung des LG Heidelberg ist Berufung bei dem Oberlandesgericht Karlsruhe eingelegt. Hier wird mit einer schnellen Entscheidung gerechnet. Der Vorgang könnte dann in Karlsruhe bleiben, wenn die Revision – unabhängig vom Ausgang des Berufungsverfahrens – zugelassen wird, was angesichts der grundsätzlichen Bedeutung zu erwarten ist.
Hier eine Auswahl an Literaturhinweisen:
- Anzinger/Stahl, „Landlords will take it easy“ – Auswirkungen der Corona-Pandemie auf gewerbliche Miet- und Pachtverträge, ZIP 2020, 1833
- Börstinghaus, Besonderheiten des Miet‐ und Wohnungseigentumsrechts infolge der COVID‐19‐Pandemie, ZAP, Heft 8/2020, 411
- Butenberg, Unmöglichkeit der Vermieterleistung?, IMR 2020, 175
- Butenberg, Wegfall der Geschäftsgrundlage, IMR 2020, 176
- Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185
Drygala, Corona und ausbleibende Gewerbemieten: Handelt
Adidas juristisch vertretbar?, Legal Tribune Online, 30.03.2020 - Ekkenga/Schirrmacher, Geschäftsgrundlagenlehre im pandemischen „Shutdown“, NZM 2020, 410
- Heilmann, Mietminderung möglich?, IMR 2020, 177
- Heilmann, Kündigungsausschluss und seine Folgen, IMR 2020, 178
- Herrlein, Die (knebelnde) Betriebspflicht in Zeiten der COVID-19-Pandemie: Ein Anachronismus, NZM 2020, 423
- Hobusch, Darf der Gewerbemieter aufgrund der Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie die Miete kürzen?, DWW 2020, 12
- Horst, Home-Office und Homeworking in der Mietwohnung in „Corona-Zeiten“, DWW 2020, 133
- Horst, Mietvertrag: Corona als Störung des Mietvertrags?, MK 2020, 89
- Klinger, Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Vermietung und Immobilienbewirtschaftung, DWW 2020, 126
- Krepold, Gewerbemietverträge in Zeiten der Corona-Pandemie, WM 2020 726
- Leo/Götz, Fälle und Lösungen zum Schicksal der Mietzahlungspflicht des Gewerberaummieters in COVID-19-Zeiten, NZM 2020, 402
- Lindner, Die Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen anlässlich der Covid-19-Pandemie (Art. 240 § 2 EGBGB), AnwZert MietR 6/2020 Anm. 2
- Lützenkirchen, Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Mietverhältnisse, MietRB 2020, 112
- Mahdi/Rosner, Kündigung trotz COVID-19-Kündigungsbeschränkung bei unterbliebenem Wiederauffüllen der vom Vermieter „gezogenen“ Mietsicherheit?, NZM 2020, 416
- Markworth/Bangen, BGB und Coronakrise: Leistungsverweigerung und Kündigungsschutz neu gedacht, AnwBl Online 2020, 360
- Morgen/Fritzsche, Ausschluss des Kündigungsrechts des Vermieters nach Art. 240 § 2 EGBGB und Kündigungssperre des § 112 InsO, ZIP 2020, 1001
- Melcher, Miete zahlen trotz Corona? Ansprüche gewerblicher Mieter wegen der behördlichen COVID-19-Maßnahmen, IMR 2020, 193
- Mock/Horst, Corona-Krise: Abmilderung der Folgen der Corona-Krise, MK 2020, 85
- Päßler/Scholz, Zur Privilegierung von Mietstundungen und Mietzahlungen nach dem COVInsAG, ZIP 2020, 1633
- Schall, Corona-Krise: Unmöglichkeit und Wegfall der Geschäftsgrundlage bei gewerblichen Miet- und Pachtverträgen, JZ 2020, 388
- Schmidt-Kessel/Möllnitz, Coronavertragsrecht – Sonderregeln für Verbraucher und Kleinstunternehmen, NJW 2020, 1103
- Sentek/Ludley, COVID-19: Die hoheitlich verfügte Ladenschließung als Mietmangel, NZM 2020, 406
- Sittner, Mietrechtspaxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169
- Tölle, Miet- und Pachtrecht während der Corona-Pandemie, IMR 2020, 192
- Tribess, Vertragsrechtliche Auswirkungen des COVID-19-Abmilderungsgesetzes, GWR 2020, 152
- Uth/Barthen, Verfassungswidrigkeit der Kündigungsbeschränkung im „COVID-19-Gesetz“, NZM 2020, 385
- Walburg, Gewerbemiete: Geschäftsschließungen aufgrund SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung, GE 2020, 423
- Warmuth, § 313 BGB in Zeiten der Corona-Krise – am Beispiel der Gewerberaummiete, COVuR 2020, 16
- Weller/Lieberknecht/Habrich, Virulente Leistungsstörungen – Auswirkungen der Corona-Krise auf die Vertragsdurchführung, NJW 2020, 1017
- Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie Risikoverteilung bei Störung der Geschäftsgrundlage (unter rechtsvergleichender Perspektive), NZM 2020, 390
Ausdrückliche empfehlen möchte ich das Buch von Zehelein, Miete in Zeiten von Corona. Das Buch ist im C.H.Beck Verlag erschienen und kostet 39,00 EUR. Darin nehmen 19 namhafte und fachlich versierte Experten zu einzelnen wichtigen Fragestellungen umfassend und leicht verständlich Stellung. Besonders erwähnen möchte ich den Beitrag von Leo/Breiholdt, mit dem eine gute Übersicht zum Stand im Gewerberaummietrecht gegeben wird. (Anmerkung: Inzwischen liegt die 2. Auflage vor, die Qualität ist nochmals besser geworden, aber auch der Preis).
Inzwischen werden in der Literatur die mietrechtlichen Auswirkungen von coronabedingten Maßnahmen, wie eingeschränkte Verkaufsflächen durch Auflagen zur Abstandswahrung, diskutiert. Im Vorgriff auf die aktuelle sogenannte 2. Welle ist diese Diskussion zumindest nachvollziehbar.
URSPÜNLICHER BLOG vom 24.03.2020
Der am 20.03.2020 vorgelegte Entwurf* eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht wurde am 23.03.2020 nochmals erheblich geändert. Hier möchten wir Missverständnissen vorbeugen helfen.
Der Bearbeitungsstand des Entwurfs vom 23.03.2020 sieht für Pachtverträge folgende Regelungen vor:
Es wird für viele Verträge ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht geben (Artikel 5 der Entwurfsfassung: Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Artikel 240 § 1 EGBGB). Hiervon ausgenommen sind ausdrücklich Miet- und Darlehensverträge.
Für Mietverträge (Wohn- und Gewerberaummietverträge) soll folgendes gelten:
Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht alleine aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt. Diese Regelungen sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden.
Die geplante Regelung ist nur bis zum 30. Juni 2022 anwendbar. Dies bedeutet, dass wegen Zahlungsrückständen, die vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 eingetreten und bis zum 30. Juni 2022 nicht ausgeglichen sind, nach diesem Tag wieder gekündigt werden kann. Damit haben Mieter und Pächter vom 30. Juni 2020 an über zwei Jahre Zeit, einen zur Kündigung berechtigenden Miet- oder Pachtrückstand auszugleichen.
In der Begründung zum Gesetzentwurf (B. Besonderer Teil) zu Artikel 5 § 2 Absatz 1 sind folgende Aussagen für die derzeitigen rechtlichen Diskussionen von Bedeutung:
Die Regelung soll Mieter von Grundstücken sowie von zu privaten oder gewerblichen Zwecken angemieteten Räumen für den im Gesetzesentwurf bestimmten Zeitraum der COVID-19-Pandemie absichern, indem sie nicht den Verlust der Mietsache befürchten müssen, wenn sie vorübergehend die fälligen Mieten nicht fristgerecht zahlen können.
Die Regelung stellt eine zeitlich begrenzte Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten, den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung befreit, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht (vergleiche BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14, Randnummer 22).
Mieter erhalten ausdrücklich kein Leistungsverweigerungsrecht nach der Grundregel des Artikel 240 § 1 EGBGB. Sie bleiben damit nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nach allgemeinen Grundsätzen zur Leistung verpflichtet und können gegebenenfalls auch in Verzug geraten. Der Eingriff in die Rechte des Vermieters ist damit geringer, da die Regelung lediglich sein sekundäres Recht zur Kündigung wegen Zahlungsverzugs für einen moderaten Zeitraum beschränkt. Umgekehrt wiegt regelmäßig das Interesse der Mieter schwer: Der angemietete Wohnraum stellt für die Mieter regelmäßig ihre Heimstatt dar, für Gewerbemieter sind die angemieteten Räume und Flächen Grundlage ihrer Erwerbstätigkeit. Es handelt sich um eine den Besonderheiten des Mietverhältnisses ausgewogen Rechnung tragende Sonderregelung, die dem Interesse am Fortbestand des Mietverhält-nisses den Vorzug gibt. Dies rechtfertigt es, von einer speziellen Härteklausel abzusehen. In ganz besonders gelagerten Einzelfällen kommt ein Rückgriff auf Treu und Glauben in Betracht.
Der Gesetzgeber sieht also kein Minderungsrecht des Mieters oder eine Anpassung der Miete wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) vor. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers wird dabei nicht zwischen Wohnraum- und Gewerberaummieter unterschieden. Entsprechendes gilt dann auch für ein Pachtverhältnis.
Bei allen einvernehmlichen Regelungen sollte gegebenenfalls die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform (§ 550 BGB) vorsorglich beachtet werden.
Beitrag von RA Walter Baldus aus einem Newsletter vom 24. März 2020 für das Branchenforum Brauwirtschaft (www.brauwirtschaft.de)
*Der Deutsche Bundestag hat in seiner 154. Sitzung am 25. März 2020 aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichtes des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz – Drucksachen 19/18129, 19/18158 – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten – Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht – Drucksache 19/18110 – bis auf zwei gesetzestechnische Änderungen zu Artikel 5 § 3 Absatz 8 EGBGB (Regelungen zum Darlehensrecht) unverändert angenommen.
Der vorstehende Beitrag ist im Entwurfsstadium des Gesetzes im Rahmen eines Newsletters verfasst worden. Eine Änderung ergibt sich aufgrund der Gesetzeslage aktuell nicht.